Viel Eigenengagement

Ein tiefer Einblick in die Kosten einer Skisaison für FIS-Athleten

Heute führe ich ein besonderes Interview mit Marcel durch, um die finanziellen Herausforderungen und Aspekte einer Skisaison auf FIS-Niveau aus unserer persönlichen Perspektive zu beleuchten. Häufig werden wir von Sponsoren, Partnern und anderen Interessierten gefragt, welche Kosten eine Saison für unsere Töchter Eliane und Alessia als aktive FIS-Skirennfahrerinnen tatsächlich mit sich bringt. In Gesprächen mit Sponsoren haben wir diese Ausgaben stets detailliert dargelegt. Jetzt möchten wir diese Informationen einem breiteren Publikum zugänglich machen. Wenn die Schweiz bei einem Sieg von Marco Odermatt am Lauberhorn jubelt, ist es wichtig zu bedenken, dass hinter solch einem Erfolg auch enorme persönliche Opfer und Investitionen der Familie stehen. Dies gilt nicht nur für die Familie Odermatt, sondern auch für viele andere Schweizer Familien, deren Kinder den Traum vom Weltcup verfolgen, selbst wenn sie ihn vielleicht nie erreichen werden. Trotzdem ist die Investition in den Sport und der damit verbundene Verzicht über Jahre hinweg eine konstante Realität.

Marcel, kannst du uns einen Überblick über die Gesamtkosten geben, die eine Skisaison für unsere Familie mit sich bringt?

Marcel: Die Kosten einer Skisaison sind ziemlich umfangreich und können schnell ansteigen. Insgesamt reden wir von etwa CHF 30`000 bis 50`000 pro Saison, pro Athlet. Diese setzen sich zusammen aus Kaderbeiträgen, Trainingskosten, Ausrüstung, Wettkampftagen und weiteren notwendigen Ausgaben wie Sportpsychologie, Wachs und Ernährung.

Das ist eine enorme Summe. Kannst du diese Kosten genauer aufschlüsseln?

Marcel: Genauer aufgeschlüsselt heisst es etwa:

  • Kaderbeiträge: CHF 5.000
  • Training: ca. CHF 8.500
  • Privattrainer Ski: ca. CHF 8.000
  • Konditionstraining: ca. CHF 2.500
  • Skiabos: ca. CHF 2.000
  • Ausrüstung: CHF 4.800
  • Wachs und Ski-Pflege: ca. CHF 3.000
  • Renntage (45 Tage x 150 CHF pro Tag): ca. CHF 6.750
  • Ernährung: CHF 1.500
  • Sportpsychologie: CHF 1.200
  • Fahrzeug und Benzin: CHF 3.000

Je nach Disziplin, Anzahl der Renntage und Trainings variieren die Kosten pro Saison. Zum Beispiel sind die Kosten bei Eliane höher aufgrund der Speed-Disziplinen, da sie mehr Renn-Einsatztage hat und auch mehr Wachs verbraucht wird.

Wie bewältigen wir diese Kosten? 

Marcel: Wir sind äusserst dankbar für die Unterstützung, die wir von unserem Sponsorenpool, dem Kanton Nidwalden und dem Skiclub Beckenried-Klewenalp erhalten. Unsere Sponsoren sind essentiell, um den Grossteil der Kosten zu decken. Es ist uns sehr wichtig zu betonen, dass Sponsoring aus einer Leistung und Gegenleistung von unserer Seite besteht. Basierend auf dem, was du, Sabine, aus deiner Zeit beim FC Luzern gelernt hast, investieren wir aktiv etwa 10% unserer Einnahmen in die Betreuung unserer Sponsoren. Dazu gehören regelmässige Updates, persönliche Treffen, Präsente und das Sichtbarmachen ihrer Marken bei Veranstaltungen und Erfolgen. Diese Anstrengungen sind wichtig, um eine starke und dauerhafte Partnerschaft zu pflegen. Trotz dieser umfangreichen Unterstützung bleibt immer ein Defizit, das wir privat tragen müssen. Dies erfordert erhebliche persönliche und finanzielle Opfer, aber wir sind bereit, diese zu leisten, um die sportlichen Träume unserer Töchter zu unterstützen.

Welche besondere Strategien nutzen wir, um die Kosten zu managen?

Marcel: Die Planung der Finanzen für eine komplette Skisaison beginnt bei uns schon sehr früh, indem wir Sponsoreneinnahmen gezielt generieren. Unser jährlicher Sponsorenanlass zu Beginn der Saison spielt dabei eine entscheidende Rolle, da er uns hilft, frühzeitig notwendige Mittel zu sichern.

Ein weiterer Schlüsselaspekt im Kostenmanagement ist die frühzeitige Kontaktaufnahme mit Materialausrüstern gegen Ende der zu Ende gehenden Saison. Durch eine frühzeitige Festlegung von Material- und Ausrüstungspartnern können wir nicht nur bessere Konditionen aushandeln, sondern auch frühzeitig die anstehenden Ausgaben planen.

Zusätzlich tragen Eliane und Alessia fast ausnahmslos gebrauchte Skibekleidung. So durften Eliane und Alessia schon früh Skibekleidung von der Funktionsunterwäsche bis zum Rennkombi und Regenmantel von Tina Weirather sowie weiteren ehemaligen Swiss-Ski Athletinnen übernehmen und nachtragen. Dies ermöglicht uns die eingesparten Ausgaben in andere Bereiche zu investieren. Interessanterweise führt dies manchmal dazu, dass unsere Mädchen aufgrund der Bekleidung für Liechtensteiner gehalten werden, was auch zeigt, wie eng Sponsoring und Wahrnehmung verbunden sind. Als kurze Anekdote möchte ich erwähnen, dass Eliane bei der Rangverkündigung als 4. der Junioren-SM in der Abfahrt nicht aufgerufen wurde, weil der Veranstalter sie als "Liechtensteinerin" gesehen hatte. Der Fauxpas wurde aber schnell geklärt. 

Eine weitere Strategie ist, Ausrüstung gebraucht zu kaufen – seien es Trainingsmaterialien wie Rennvelos und Bikes oder sogar alltägliche Dinge über Plattformen wie Tutti. Diese Strategie des Secondhand-Kaufs hilft uns, erheblich zu sparen. Bei der Ausrüstung für den Skisport setzen wir ebenfalls nicht immer auf die neuesten Produkte. Die Mädchen fahren oft mit älteren Skimodellen, was uns ermöglicht, Ressourcen effizienter zu nutzen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt unserer Kostenmanagementstrategie ist die flexible und wetterabhängige Planung der Trainingstage. Anstatt Geld für Trainingstage auszugeben, an denen schlechtes Wetter das Training unmöglich macht, investieren wir Zeit in präzise Wettervorhersagen und planen so, dass jeder investierte Franken den grösstmöglichen Nutzen bringt.

Ein wesentlicher Vorteil für uns ist auch, dass wir keine Kosten für die Skipräparation haben, da ich diese Aufgaben selbst übernehme. Das spart nicht nur Geld, sondern stellt auch sicher, dass die Ausrüstung immer optimal auf die Bedürfnisse jeder Athletin abgestimmt ist.

Welche persönlichen und finanziellen Opfer bringt die Familie, um die Karrieren von Eliane und Alessia zu unterstützen?

Marcel: Das grösste Opfer ist sicherlich die Zeit. Ich verbringe viele Stunden im Skikeller, um die Ski vorzubereiten. Du begleitest Eliane oft zu ihren Rennen und arbeitest mobil. Rita ist immer zur Stelle, um als Fahrerin zu dienen, die Wäsche zu waschen und das Essen zu kochen. Wir alle verschieben Arbeitstage auf das Wochenende oder Feiertage und versuchen, unsere Berufe um den Skikalender herum zu planen. Auch auf privater Ebene verzichten wir auf vieles, wie eigenen Sport und Ausgehen, weil wir einfach zu erschöpft sind. Alles in allem fehlt es uns oft an Freizeit. 

Wie beeinflusst diese Lebensweise unser Familienleben?

Marcel: Der Sport hat bei uns oberste Priorität, das ist in der gesamten Familie bekannt. Jeder ist bereit, sich dieser Leidenschaft unterzuordnen. Dies betrifft nicht nur uns als Eltern, sondern auch die Grosseltern und die Familien unserer Geschwister. Es ist leider eine Tatsache, dass wir bei Familien-Anlässen selten anwesend sind. Auch unsere Freunde müssen diese Priorität akzeptieren. Aufgrund der spontanen Natur unseres Zeitplans können wir keine langfristigen Termine vereinbaren und müssen uns immer flexibel halten. Unsere Freunde hören von uns oft: "Hey, hast du heute Abend Zeit? Komm doch spontan zum Grillen vorbei." Gelegentlich wird dieses Verhalten von Aussenstehenden als überheblich oder selbstbezogen empfunden. An dieser Stelle möchten wir uns herzlich bei allen bedanken, die Verständnis für unsere Situation haben. Wir wissen, dass es mit uns nicht immer einfach ist, und schätzen eure Unterstützung sehr.

Sabine: Danke, Marcel, für diese ehrlichen Einblicke. Es ist eine enorme Herausforderung, aber auch eine Erfahrung, die uns alle als Familie stärker macht.